Text: Svetlana Reinwarth
Fotos: Svetlana Reinwarth
Veröffentlicht am 25.05.2024
Am 24.05.2024 wurde auf dem venezianischen Friedhof San Michele dem russischen Dichter Joseph Brodsky gedacht.
Friedhof San-Michele in Venedig
Am 24.05.2024 wäre der berühmte russische Dichter Joseph Brodsky 84 Jahre alt. Er wurde 1940 in Leningrad geboren (seit 1991 trägt die Stadt wieder ihren historischen Namen - St. Petersburg) und hatte nicht so langes, aber sehr ereignisreiches Leben. Er schrieb wunderbare Gedichte, musste wegen seiner Ansichten und Überzeugungen die Sowjetunion verlassen und emigrierte nach Amerika. Dort lebte er und unterrichtete die russische Literatur an der Universität. 1987 erhielt Joseph Brodsky den Nobelpreis für Literatur. 1996 starb der Dichter und liegt in Venedig auf dem Friedhof San Michele begraben.
Warum ausgerechnet Venedig, werden sich unsere Leser fragen. Venedig wurde für den Dichter zu seiner zweiten Heimat. Es erinnerte ihn sehr an die Geburtsstadt Leningrad. Hierher kam er gerne zum Arbeiten, hier fand er Inspiration für seine Kreativität. Venedig widmete er eines seiner besten Werke - den Essay "Fondamenta degli incurrabili". Deshalb wählten seine Angehörigen nach seinem Tod Venedig als Begräbnisort.
Friedhof San-Michele in Venedig
In der Regel werden hier Venezianer bestattet. Eine Ausnahme bilden Persönlichkeiten der Weltkultur. Der Ballettimpresario Sergej Diaghilew, der Komponist Igor Strawinsky und seine Frau Vera sowie der Journalist und Radiomoderator Peter Weil liegen hier begraben. Auch Joseph Brodsky fand hier seine letzte Ruhestätte.
Es ist zu einer guten Tradition geworden, dass zweimal im Jahr, am Geburts- und am Todestag des Dichters, Liebhaber der russischen Kultur aus aller Welt an sein Grab kommen und frische Blumen mitbringen. So war es auch in diesem Jahr.
Am 24. Mai 2024 reiste auch die Redaktion des " Düsseldorfer Blattes" nach Venedig und besuchte den Friedhof San Michele, um dem großen russischen Dichter die letzte Ehre zu erweisen.
Der Friedhof, auf dem der Dichter begraben liegt, befindet sich nicht in der Stadt, sondern auf einer separaten Insel und ist mit dem Vaporetto leicht zu erreichen.
Man erreicht den Friedhof mit dem Vaporetto
Als wir mitten am Tag ankamen, stellten wir fest, dass am Denkmal des Dichters bereits frische Blumen - Rosen, Lilien, Nelken - lagen. Jemand brachte sogar Maiglöckchen mit, die Brodsky, wie man sagt, sehr liebte.
Joseph Brodsky Grab auf dem San-Michele
Es schien, als ob die Natur selbst dem Dichter an diesem Tag gratulierte. Es war warm und sonnig, eine leichte Brise wehte vom Meer her, und nur die schrillen Schreie der Möwen durchbrachen die nachdenkliche Stille des venezianischen Friedhofs.
Als wir Blumen niedergelegt hatten, kam ein junges Mädchen auf uns zu und stellte sich als Anna vor. „Ich bin zum ersten Mal in Venedig. Ich komme zwar vom Süden Russland, lebe aber
in der Slowakei und beende gerade mein Studium. Seit vielen Jahren bin ich mit dem Werk von Joseph Brodsky vertraut, ich kenne und liebe seine Gedichte. Deshalb habe ich beschlossen, dass ich, wenn ich jemals nach Venedig komme, auf jeden Fall seinen Friedhof besuchen werde. Und hier bin ich."
Anna kam aus der Slowakei
Wir fragten Anna, ob sie weiß, dass der Dichter heute Geburtstag hatte. „Nein, das wusste ich nicht. Schade, dass ich diesmal keine Blumen mitgebracht habe. Aber nächstes Mal bringe ich welche mit."
Wir gingen mit Anna über den Friedhof und besuchten andere russische Gräber, zum Beispiel das von Sergej Diaghilew, auf dessen Grab Balletttänzer oft Ballettschuhe hinterlassen. Als wir San Michele verließen, erzählte uns Anna, dass sie morgen aus Venedig nach Hause fährt.
„Wohin kann man heute noch gehen in der Stadt, in der Brodsky so gerne zu Gast war?“, fragte sie uns zum Abschied. " Zum Ufer Fondamenta delle Zattere zum Beispiel, darüber hat der Dichter so schön in seinem Essay Fondamenta deggli incurrabili geschrieben ", - haben wir ihr empfohlen.
Übrigens, falls Sie, liebe Leserinnen und Leser, dieses Werk noch nicht gelesen haben, empfehlen wir Ihnen dringend, dies zu tun, denn wir sind sicher, dass Sie diese ergreifende Liebeserklärung an eine der schönsten Städte der Welt genießen werden.
Lagunenstadt Venedig
An diesem Tag spazierten wir ein wenig an Brodskys Lieblingsplätzen entlang, am Ufer der Fundamente Nova, vorbei am Arsenal, zur Kathedrale San Pietre und natürlich zur Zattere, wo eine dem Brodsky gewidmete Gedenktafel hängt.
Auch wir verließen Venedig am nächsten Tag, in Deutschland wartete die Redaktionsarbeit auf uns, sowie die alltäglichen Dinge. Aber die Reise nach Venedig wird uns in Erinnerung bleiben und wir werden sicher wiederkommen. Nächstes Jahr, 2025, wird Joseph Brodsky 85 Jahre alt, und in Venedig und St. Petersburg, der Geburtsstadt des Dichters, wird es sicher viele Feierlichkeiten geben.
Unsere Blumen werden auf jeden Fall wieder am Brodsky Grab liegen, als Zeichen der Erinnerung und des Dankes an den Mann, der so viel für die russische und die Weltkultur getan hat.
Grandkanal in Venedig